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Jancito Convit, Carlos L. Gonzales y Enrique Rassi

Jancito Convit, Carlos L. Gonzales y Enrique Rassi

Dipl. Ing. Alfred Schubert. (verfasst 1996)

Studien über Lepra in Tovar

Rezension von "Estudios Sobre Lepra en el Grupo Etnico Aleman de la Colonia Tovar." - (Studien über Lepra unter der Bevölkerung der Colonia Tovar) - Ministerio De Sanidad Y Asistencia Social., Caracas 1955.

Alfred Schubert ist ein Mitglied unseres Freundeskreises Colonia Tovar, der in Venezuela aufgewachsen ist und sein Abitur an der Humboldtschule in Caracas ablegte. Sein Studium begann er an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen, das er dort als Dipl. Ing. abschloss. Zur Zeit arbeitet Schubert in Basel. Er kennt Tovar aus vielen persönlichen Erlebnissen und besucht es regelmäßig bei seinen Reisen nach Venezuela.

Schon seit einigen Dekaden ist Tovar als einer der größten Lepraherde in Venezuela bekannt gewesen. Im Jahre 1942 wurde durch den damaligen Chef der Leprakontrollbehörde des venezolanischen Gesundheitsministeriums, Dr. Fernandes Vautrai, unter 808 Bewohnern der Colonia Tovar 32 Fälle von Lepra und 9 verdächtige Fälle gefunden. Kurz vor ihrem hundertjährigen Bestehen wurde die Colonia Tovar von der venezolanischen Regierung zum Municipio Tovar bestimmt und damit der venezolanischen Verwaltung unterstellt. Das Sanitätsministerium in Caracas leitete weitere Untersuchungen ein, um die Ausbreitung zu überwachen und die Bekämpfung dieser Krankheit voranzutreiben. Im Jahre 1950 zeichneten sich wichtige Resultate ab. Es wurden in den Studien 1126 Bewohner der Colonia Tovar auf Lepra untersucht, mit dem Ergebnis, dass diesmal 113 Fälle gefunden wurden. Diese große Anzahl von Fällen machte die Colonia Tovar damals zu einem der am meisten von der Lepra befallenen Gebiete in Venezuela.
Die Resultate dieser Forschung ergaben eine durchschnittliche Erkrankung von 10,04 Prozent der Einwohner. Das Verhältnis von Lepra lag bei männlichen Kandidaten bei 11,83 %, bei den Frauen dagegen bei 7,99 %. Dieses Ergebnis zeigte also, dass in Tovar die Männer stärker befallen wurden als die Frauen.

Zugleich untersuchte man in dieser Studie alle Personen auch auf Tuberkulose. Aufgrund der Ergebnisse konnte nachgewiesen werden, dass eine starke Abhängigkeit zwischen Tuberkulose- und Leprafällen existiert. Dies bedeuted, dass eine Tuberkuloseansteckung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer Para-Reaktion auf Lepra führt. Andererseits wurde aber auch vermutet, dass Tuberkuloseimpfungen die Resistenz gegen Lepra stärken würde.

Im gleichen Jahr 1950 wurden 107 Personen auf Lepraerkrankung untersucht und 106 davon gegen Tuberkulose geimpft. Diese Gruppe wurde anschließend etwa dreieinhalb Jahre lang medizinisch überprüft. Es zeigte sich, dass alle ausser einer Person bei den Lepratesten als nicht befallen eingestuft werden konnten, wogegen die einzige Person, bei der es anders verlief, diejenige war, die vorher nicht zu den Impfungen erschienen war.

C. Koch: Nachtrag für den Freundeskreis und Tovarbesucher.

Für alle Tovarreisenden möchte ich noch hinzufügen, dass die Lepra sich in Tovar nur in der Zeit der Isolierung und den wirtschaftlichen Notzeiten hat ausbreiten können. Sie ist eine Krankheit, die gewöhnlich nur bei Unterernährung oder extrem einseitiger Alimentation in Verbindung mit länger andauernden, direkten Kontakten bei gleichzeitig mangelnden Hygienemöglichkeiten zu Ansteckungen führt.
In den fünfziger Jahren besuchte ich mit meiner Frau und unseren drei Kindern regelmäßig unser Wochenendhaus in Tovar. Wir kauften dort immer Gemüse, Früchte und vor allem auch die gut gedeihenden Erdbeeren ein. Anfangs hatten wir Bedenken, diese zu verzehren. Als ich daraufhin einen der mit uns bekannten Lepraärzte hierüber um seine Meinung bat, meinte dieser: „Bringen Sie mir so viel Erdbeeren aus Tovar, wie Sie können, ich werde sie mit Genuss verzehren, auch wenn sie von Leprakranken gepflückt wurden.“ Er klärte uns über die relative Ungefährlichkeit dieser Krankheit für Personen auf, die normal ernährt sind und unter neuzeitlichen Hygienebedingungen leben.
Diese, die Lepra weitgehend verhindernden Voraussetzungen ergaben sich aber für einen Teil der Tovarer Familien erst nach der verkehrsmäßigen Erschließung mit dem beginnenden Tourismus. Hierzu einige Daten aus meiner Feldforschung anfangs der sechziger Jahre:

- Von den untersuchten 171 Häusern besaßen nur 72 eine im Haus installierte Wasserleitung und eine Toilette mit Wasserspülung.

- Die Bewohner von 44 Häusern holten sich ihr Wasser in der Nähe aus einem Bach.

Seit den vergangenen 35 Jahren hat sich mit dem Anwachsen des Prokopfeinkommens der Siedler in ihrer Wohn- und auch Ernährungssituation ein drastischer Wandel vollzogen. Die Forschungen des Sanitätsministeriums, die ärztliche Betreuung in Tovar und die modernere Schulbildung führten auf allen Gebieten, die der Lepra einen gewissen Vorschub haben leisten können, zu weitreichenden Fortschritten. Dank dieser Entwicklung kann die Lepra in Tovar als überwunden gelten.