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Die Entsteheung von El Jarillo

Felix-Guillermo Ziegler-Ruthman

El Jarillo war schon immer bevölkert. Es stehen noch verschiedene Ruinen aus der Kolonialzeit. Später gehörte das Gebiet zu den Ländereien von „Los Blancos Uribe“ und Sr. Domingo Brice`no, der es im Jahre 1842 an Sr. Manuel Felipe de Tovar verkaufte.
Sr. Manuel Felipe de Tovar war also Eigentümer von den Ländereien, die zur Colonia Tovar und zu Jarillo gehörten.
Nach dessen Tod erbte seine Schwester Altagracia de Tovar die Gebiete um El Jarillo. Sie wiederum verkaufte 1887 die Ländereien an die Brüder Emilio und Gregorio Breidenbach. Die Breidenbachs kamen mit der zweiten Einwanderergruppe 1851 von Erfurtshausen, Hessen, nach Tovar. Sie traten die ungewisse Reise mit den Eltern Andreas und Apolina sowie 7 Geschwistern zwischen 2 und 20 Jahren an.
Emilio Breidenbach, geboren 1832, heiratete am 24.02.1867 die Wittfrau von Alexander Benitz, es war dies die aus Endingen stammende Josepha Hildebrand.
Sein Bruder Gregorio, geboren 1843, heiratete am 27.02.1867 in der Kapelle von Tovar Carolina Muttach. Sie hatten zusammen 8 Kinder. Die Breidenbachs waren eine angesehene Familie, der Vater war Lehrer, starb aber schon nach einem Jahr Aufenthalt in Tovar. Emilio Breidenbach war lange Jahre Subdirektor und Polizeichef in einer Person. 1889 gab er seine Ämter in Tovar auf und siedelte zusammen mit seiner Familie und der seines Bruders nach El Jarillo.



El Jarillo
Am 14.11.1890 wurde der Landkauf in Los Teques protokolliert. Für die heutigen Jarilleros ein sehr wichtiges Datum. Sie erkennen diesen Tag als Ankunftstag der „Deutschen“ an und feierten 1990 ihr 100-jähriges bestehen.
Den Breidenbachs war die Colonie zu arm. Sie sahen in dem fruchtbaren Tal mit dem gleichnamigen Fluss eine neue Möglichkeit ihre landwirtschaftlichen Fähigkeiten auszubauen. Nach und nach zogen auch andere Personen nach El Jarillo. So wurde die Zone von „Blonden, Weißhäutigen“, die deutsch sprachen, besiedelt
1905 kaufte ein Sohn von Gregorio Breidenbach, Carlos Breidenbach die Hälfte von den Länderein seines Onkels Emilio. Und 1914 verkaufte der Vater Gregorio und sein Sohn Carlos alles an seinen Bruder bzw. Sohn, Adolf Breidenbach. Es war so, dass Adolf zum Chef der Familie und über das ganze Land ernannt wurde.
Adolf Breidenbach Muttach war verheiratet mit Sofia Strubinger, sie hatten sechs Kinder. Einige von Ihnen lebten noch 1995, das Jahr in dem das Buch über El Jarillo von Felix Ziegler geschrieben wurde. 15 Jahre lang gehörte das Land Adolf Breidenbach. Danach begann eine neue Ära.
1929 kaufte Benjamin Gerig zusammen mit drei seiner Söhne fast das gesamte Land, eine große Finca, für 120 000 Bolivar, keine Scheine, alles in Münzen oder Goldstücken, Adolf Breidenbach ab. Zu diesem Kauf kam es, weil einer der Söhne, José Gerig mit einer Tochter von Adolf Breidenbach, mit Carolina Breidenbach Strubinger, verheiratet war.
Der Familie Gerig ging es wie so vielen in Colonia Tovar. Die Männer und jungen Burschen waren unter der Woche in den verschiedenen Seitentälern bei der Arbeit und kamen nur an den Wochenenden nach Tovar zu ihren Frauen und kleineren Kindern. Sie arbeiteten in den Kaffeeplantagen für Lohn oder mussten Pacht für das Grundstück bezahlen. Die Gerigs waren in EL Limon oder Narajal tätig. Andere arbeiteten in Gabante, Combote, oder la Lagunita, in den Tälern wo es wärmer war.
Die Familie Gerig übersiedelte mit allen Familienangehörigen und deren ganzem Hab und Gut auf die große Finca. Dort wo heute die alte Kirche steht. Das Haus wurde in einzelne Zimmer, für je eine Familie aufgeteilt, so wohnte man unter einem Dach zusammen. Später, nach und nach, wurde für jede Familie ein Haus gebaut und das Land aufgeteilt.
Zu jener Zeit wohnten nicht allzu viele Leute in El Jarillo. Die Breidenbachs, und in den Randzonen lebten einige Kreolen, Mischlinge aus den Ureinwohnern Venezuelas und den Spaniern. Man lebte vom Zwiebel- und Kaffeeanbau. Auch Rinder waren anzutreffen. Diese gehörten zum Besitz der Familie Breidenbach.
Auch Familie Gerig lebte hauptsächlich vom Anbau der Zwiebeln, in jenen Jahren wurde das gut bezahlt. Aber es kamen auch schlechte Zeiten, die Zwiebel galt nichts mehr. Man hatte zu leben, schließlich pflanzte jede Familie ihr Gemüse selbst an, hatte Hühner und Schweine. Doch das Geld musste schwer verdient werden. Einige Gerig Familien gingen wieder zurück nach Tovar. Mit der Zeit wurde es besser.
Gut ein Drittel des Landes musste später an die Regierung verkauft werden. Und zwar das Gebiet um das „Kalte Wasser“. Dort ist heute der Wasserspeicher für Caracas. Die Regierung verpflichtete sich dafür eine Straße zu bauen, Strom, Wasser und Telefon für alle Bewohner von El Jarillo zu beschaffen. Dafür erhielt sie einen sehr günstigen Kaufpreis. Diese Verpflichtung wurde aber nie erfüllt.
Der Reichtum kam mit einer kleinen, runden gelben Frucht, dem „Pfirsich“. Der Pfirsich sollte das Leben der Jarilleros komplett verändern. Nur wenige kannten diese Frucht überhaupt. Es standen ein paar wenige Bäume hinter dem alten Haus, sie wurden aus Petaquire mit vielen anderen Pflanzen gebracht und nicht groß beachtet. Man machte Marmelade daraus oder aß sie so. José Gerig war der erste, der ein Stück Land mit Pfirsichbäumen bepflanzte und die Früchte in Caracas auf dem Markt verkaufte. Durch jahrelanges testen und ausprobieren, streifen der Blätter und ähnliches, wurde der Pfirsich zu einer begehrten Frucht. 92% der Bevölkerung lebt heute vom Pfirsichanbau. Es gibt aber auch Erdbeerfelder, Gemüse, Blumen, Tomaten, Feigen und anderes, womit die Menschen ihr Geld verdienen.
Die meisten Jarilleros leben und bearbeiten ihr eigenes Land. Es wird innerhalb der Familie weitervererbt - bei einer Hochzeit, oder wenn man alt genug ist und sich selbständig machen will. Die Arbeitsaufteilung ist wie bei uns auch. Die Männer gehen auf das Feld und die Frauen machen die Hausarbeit und versorgen die Kinder. Bei der Ernte helfen alle mit.
Wenn früher das Land den Gerigs und Breidenbachs gehörte, so heißen heute viele Landbesitzer auch Ziegler, Ruh, Rudmann, Muttach, Strubinger, Müssle usw. Unsere Gäste im Mai waren Smith Julio und Clothilde, Nancy Smith mit Ihren Töchtern Aracelis und Anna Maria, Anibal und Irene Müsle, die Familie Gerig war gleich fünf mal vertreten, ich möchte David Gerig mit seiner Frau Alejandrina (Aleja) als ehemaliger Ortsvorsteher nennen. Außerdem waren zwei Familien Ziegler dabei. Direkte Nachfahren von dem aus Endingen stammenden Heinrich Ziegler, es sind dies José und Angelica Ziegler sowie Felix und Rita Ziegler, der das Buch über el Jarillo geschrieben hat. Aus Tovar waren die Familien Gustavo und Claudia Breidenbach, sowie Gustavo und Luisa Pacheco dabei. Ein venezulanisches Ehepaar war auch hier, Balentin und Noris Flores aus dem Landesinneren.
Es gibt die Großfamilien, man lebt mit Großeltern und ledigen Tanten und Onkels unter einem Dach. Jede Familie ist für ihre Arbeit selbst verantwortlich und bestimmt den Rhythmus, wann die Blätter gestreift werden und wann geerntet wird, wobei es bestimmte Jahreszeiten gibt, in denen der Pfirsich ein besseres Aroma bekommt. Das Klima, Regenzeit und Trockenzeit spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle. In der Regel gibt es pro Jahr zwei Ernten. Manche Bauern ziehen ihre Setzlinge selber, andere kaufen schon veredelte Pflanzen. Lukas Gerig hat 100 verschiedene Pfirsichpflanzen und führt Versuche mit allen möglichen Pflanzen durch.
Nochmals zurück in die Anfangsjahre. 1930 kam der erste Händler nach EL Jarillo. Er hatte Faden, Knöpfe und Stoffe bei sich, alles Utensilien zum Nähen. Ein Bäcker versuchte auch sein Glück, hat aber bald eingesehen, dass mit Brot kein Geld zu verdienen war. Die Frauen machten ihr Brot selber.
Das erste Geschäft öffnete Martin Gerig. Bei ihm gab es alles was nötig war und man nicht selber herstellen konnte. Heute gibt es 7 Lebensmittelgeschäfte, 5 Gaststätten, 1 Metzgerei, 3 Baumärkte, 1 Ersatzteillager, 1 Lottoannahmestelle, 1 Eisenhandel - zirka 45 Geschäfte. 1964 kam der erste Stromanschluss auf drängen von Simon Gerig in das Tal. Als Dank für seinen unermüdliches Bestreben nach Strom, schenkte Ihm die Stromgesellschaft eine Waschmaschine, die erste in El Jarillo. Seit 1994 gibt es auch eine Tankstelle.
Die Kinder gehen in El Jarillo zur Schule, es gibt die Grundschule und auch ein Liceo (weiterführende Schule). Wer studieren will, der geht nach Caracas oder Los Teques.
Ganz wichtig für El Jarillo ist auch die Pfirsichfabrik. 1972 baute Juan Misle eine kleine Halle und begann die Pfirsiche zu klassifizieren und auf dem Großmarkt in Caracas zu verkaufen. Später wurden Maschinen angeschafft um Pfirsichkompott herzustellen. Heute werden 50% der Pfirsiche in dieser Fabrik verarbeitet.


Kirche in El Jarillo – Altarstock aus Pfirsichholz
Zur Religion in El Jarillo gibt es folgendes zu sagen: Es gibt Protestanten, Zeugen Jehovas, doch die meisten Leute sind katholisch. Früher kam einmal im Jahr ein Priester nach El Jarillo, die Messe wurde im alten Haus, „Casa de Tejas“ und später im Haus von Martin Gerig gelesen. Die erste Kirche wurde 1952 in nur 11 Monaten von den Jarilleros selbst erbaut. Die neue Kirche wurde 1982 unter Mithilfe von Pater Juan Iguinez (Junico) erbaut. Ihre Schutzpatronin ist die heilige Carmen. Das Taufbecken und der Altar ruhen auf Pfirsich-baumstämmen. Als Zeichen der Dankbarkeit für die Quelle Ihres Lebens-unterhaltes (Haupteinnahmequelle). Die Orgel kann von mehreren Personen gespielt werden. Überhaupt, die Menschen in El Jarillo sind sehr musikalisch.

Nun wollen sie sicher auch noch wissen, wo El Jarillo zu finden ist! El Jarillo ist ein Nachbarort von Colonia Tovar. Zirka ½ Stunde Fahrzeit, Richtung Caracas auf der rechten Seite geht die Straße nach Cedral und El Jarillo. Aus der anderen Richtung kommend, liegt es etwa 30 km von Los Teques entfernt, der Bundeshauptstadt vom Estado Miranda, zu dem El Jarillo gehört. Die meisten der 5000 Einwohner sind deutscher Abstammung, also Menschen die aus Tovar weggezogen sind.
Die Erdstraße, welche nach Tovar führt, wurde von den Jarilleros aus eigener Kraft erbaut, sie nannten sie „die Straße zu den Gipfeln der Colonia Tovar“.
Der höchste Punkt liegt in 1700 m Höhe, der niedrigste in 1200 m über dem Meeresspiegel. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 18,5°C im Jahr. Der Name El Jarillo kommt von einem Baum, welcher in dieser Gegend oft zu finden ist.

Dies ist ein kleiner zusammengefasster Ausschnitt aus dem Buch „El Jarillo - Un pueblo de origen aleman“ - geschrieben von Felix Guiermo Ziegler Ruthman - geboren am 21.02.1936 in Los Teques.



Übersetzung Antonie Morand
Im Mai 2000